Totale Manipulation: wie uns Fettzellen am Gängelband führen

Schon die Bezeichnung „Fett“, löst negative Assoziationen aus. Unser Geist zeichnet uns Bilder, die uns gar nicht gefallen. Mediziner sprechen von einer Gesellschaft, die zu-nehmend verfettet. Sie schätzen den Anteil derjenigen, deren Body-Mass-Index jenseits der 25 liegt, mit über 50 Prozent ein.
Was ist wirklich dran am „Killer“ Fett? Ist es tatsächlich so lebens- und gesundheitsgefährdend?


Was erwartet Sie im Artikel?

  • das Gute am Fett
  • Kommunikationszentrale Körperfett
  • erst Fett macht fett
  • wenn die Wächter Insulin und Leptin versagen
  • Einstiegsdroge und Verführer: moderne Genussmittel
  • Fettleibigkeit ohne Übergewicht

Nicht alles was Fett ist, ist schlecht


Das Körperfett hat die Funktion einer endokrinen Drüse, das heißt, es gibt lebenswichtige Bo-tenstoffe direkt in die Blutbahn ab. Zusätzliche Aufgaben sind:

  • die Energieversorgung des Organismus sicherstellen
  • den Baustoff für Zellwände liefern
  • den Blutzuckerspiegel stabilisieren
  • vor äußeren Einflüssen (Wärme und Kälte) schützen
  • dem Organismus mitteilen, wann er satt ist.

Da Fett Träger von Geschmacks- und Aromastoffen ist, lässt es uns unsere Nahrung besonders gut schmecken, wenn Sie einen gewissen Fettanteil hat.
Die Vitamine A, D, E, K kann unser Körper nur mittels Fett aufnehmen, essentielle Fettsäuren sind für lebenswichtige physiologische Prozesse erforderlich.

Kommunikationszentrale Körperfett

1984 ist nicht nur ein berühmter Buchtitel, es ist auch jenes Jahr, in dem das erste „Adipokin“ entdeckt wurde. Mit diesen Fettgewebshormonen kommuniziert das komplexe und interaktive Geflecht aus Blutbahnen, Nervenzellen, Bindegewebe-, Immun- und Fettzellen mit dem gesamten Organismus.

Und auf diese Weise beeinflusst es unsere Aktivitäten und unsere Psyche. Macht uns gesund oder krank und hat eine beklemmende Eigenschaft: Fett kann unbegrenzt wachsen. Mittlerweile zählen die Forscher bereits mehr als 600 dieser Signalmoleküle. Ein Trend mit rasantem Anstieg.

Und so befindet sich in unserem Organismus ein Organ, das die Zuschreibung Superlative durchaus verdient. Die Frage, die es zu beantworten gilt: Wie interagiert es innerhalb unseres Körpers, wie reagieren wir darauf?

Erst Fett macht fett

Schlanke Menschen blicken öfters ein wenig verächtlich auf die „dicken“ Zeitgenossen. Von Willensschwäche ist die Rede, von zuwenig Bewegung und zuviel Couch. Vielleicht steckt ein Körnchen Wahrheit darin, dennoch wissen die Forscher heute, dass die Biologie eine gewaltige Rolle spielt, wenn jemand permanent mit seinem Gewicht kämpft.

Denn Fett, wenn es sich einmal festgesetzt hat, macht fett. Es setzt einen biochemischen Regelkreis in Kraft, der die Betroffenen hungrig und träge macht. In den letzten Jahren hat man herausgefunden, dass einige der neu entdeckten Adipokine an diesen Prozessen beteiligt sind. Vor diesem manipulativen Angriff der „Fettzellen“ ist kaum jemand gefeit.

Wenn Leptin und Insulin als Wächter versagen

Eines der Signalmoleküle ist unter dem Namen „Leptin“ bekannt. Es hemmt das Auftreten von Hungergefühlen und reguliert den Fettstoffwechsel. So weit so gut. Doch leider weisen, bereits fettleibige Menschen, eine hohe Resistenz gegen Leptin auf, das dadurch seine physiologische Wirkung nicht entfalten kann. Dann wird das hormonelle Stoppschild einfach überfahren.

Mit Insulin verhält es sich ebenso. Es basiert auf ähnlichen Mechanismen wie Leptin und löst im Gehirn ein starkes Sättigungsgefühl aus. Bei Menschen, die zu viel und in kurzen Abständen essen, wird die Insulinproduktion erhöht. Aufgrund der Resistenz bleibt das Verlangen nach Nahrung bestehen, solange bis eines Tages die Bauchspeicheldrüse resigniert und die Insulinproduktion einstellt

Einstiegsdroge und Verführer: moderne Genussmittel

Weshalb allerdings kommt es dazu, dass immer mehr Menschen an Übergewicht erkranken, schon in jungen Jahren mit der Diagnose „Adipositas“ konfrontiert sind?

Wenn wir heute den Blick auf den Speisezettel der durchschnittlichen Familie werfen, dann finden sich dort jede Menge leicht verdaulicher Zucker-Fett-Kombinationen, mit denen die Regale in den Supermärkten gefüllt sind. Tiefkühlpizza, Limonaden, Fertiggerichte, Hamburger.

Das sind die tatsächlichen „Einstiegsdrogen“ in die Abhängigkeit mit dem Namen Adipositas. Unser Suchtzentrum registriert mit wohligem Schauer die Zufuhr dieser Kalorienbomben, weil es sich noch an die Zeiten „erinnert“, als Nahrung mühsam in den weiten Steppen erjagt werden musste, das nächste Mammut weiter entfernt war, als heute der nächste MacD - und nur zu Fuß erreicht werden konnte. Kalorienreiche Leckerbissen mussten damals schwer erarbeitet wer-den.

Fettleibig ohne Übergewicht

Was wie ein Widerspruch klingt, ist tatsächlich möglich. Fettgewebe kann sich nämlich nicht nur auf den Hüften oder den Schenkeln ablagern. Es kann sich auch nach innen zurückziehen, in die freien Höhlungen der inneren Organe. Viszeralfett ist der medizinische Begriff dazu. Es ist gut versteckt an den Bauchseiten, zwischen den Eingeweiden, an der Innenseite des Rückens.

Viszeralfett hat vor allem eine sehr ungünstige Eigenschaft: Es neigt zu schweren Entzündun-gen, mehr als andere Fettdepots. Der Auslöser sind allerdings nicht Viren oder Bakterien, wie es physiologisch logisch scheinen würde. Es ist „Zell-Stress“, der diese Reaktionen auslöst. Jahrelang wird der Körper mit dem Kampf dagegen belastet und gefordert. Das ist, so sind sich die Wissenschaftler einig, die Basis für Prozesse des Alterns, mit den fast unvermeidlichen Folgen wie Arterienverkalkung, Arthritis, Gicht, Alzheimer, Diabetes. Fatal ist, dass chronische Fettentzündungen selbst junge Erwachsene vorzeitig altern lassen können.