Was sind Humane Endogene Retroviren?

Humane endogene Retroviren, kurz HERV, kommen in einer Vielzahl im humanen Genom vor. Sie wurden schon vor langer Zeit ein Teil des Genoms. Durch viele Mutationen haben sie sich in ihrer Sequenz in unterschiedlicher Art angesammelt. Unter anderem als Punktmutationen, Insertionen anderer Retroelemente, Deletionen, Rekombinationen, Mini und Mikrosatelliten-Expansion. Aufgrund der retroviralen Sequenzveränderungen sind die HERV sehr schwer zu finden. Manche dieser Humanen Endogenen Retroviren sollen ursächlich für die Entwicklung verschiedener Autoimmunkrankheiten sein. Besonders im Falle der Multiplen Sklerose. Andere sollten für die Regulation und Entwicklung essenzieller Organe sein, beispielsweise die Plazenta bei Säugetieren. Im Zuge eines Humangenomprojekts konnten im menschlichen Genom viele tausend Endogene Retroviren gefunden und in zunächst 24 unterschiedliche Familien eingeordnet werden. Mittlerweile jedoch ist die Sprache von 31 Gruppen, die je durch ein einziges Integrationsereignis entstanden. Endogene Retroviren können durch Entzündungsprozesse, Medikamente, Mutationen oder auch durch Infektionen mit anderen Viren, beispielsweise dem Epstein-Barr-Virus reaktiviert werden.

Was sind Endogene Retroviren im Allgemeinen?

Die Endogene Retroviren sind Viren, die den vollständigen Zyklus der Replikation nie durchlaufen haben, sondern als sogenanntes Provirus von einer Generation zur nächsten im Genom eines Wirtes immer weiter vererbt wurden. Es ist anzunehmen, dass die Viren vor etlichen Generationen aufgrund einer Infektion der Keimbahnzellen von Wirbeltieren und Menschen entstanden sind.

Retroviren besitzen die Eigenschaft, dank des viralen Enzyms Reverse Transkriptase so ihr RNA-Genom in eine DNA umzuschreiben, damit sie sich in das Genom der Wirtszelle perfekt integrieren können. Die meisten dieser Retroviren können nur wenige somatische Typen von Zellen infizieren. Einigen kann es gelingen, die Keimzellen zu infizieren. Somit können sie auf die weiteren Generationen weitervererbt werden und eine lange Zeit im Genom des Wirtes verbleiben. Zum größten Teil können sie nur einen kurzen Zeitraum infektiös bleiben, denn durch die Replikation durch den Wirt sammeln sich Mutationen an, welche zur Virus-Inaktivierung führen. Wenige hingegen bleiben aktiv. Sie können fortlaufend exogene Viruspartikel produzieren. Unter speziellen Umständen kann es zu einer Remobilisierung kommen, sodass die Retroviren eine Transposition durchführen.

Unweigerlich gesichert ist die Beteiligung von endogenen Retroviren bei der Entstehung mancher Tumoren. Unter anderem gilt das für das Katzenleukämievirus und auch für die humanen T-Zell Leukämieviren HTLV-1 und HTLV-2. Meist ist die Entstehung der Leukämie Insertionsmutagenese bedingt. Das heißt, dass das Provirus sich in der Nähe eines Proto-Onkogens integriert. Bei den Katzenleukämieviren sind häufig die Rekombinationen mit endogenen Retroviren ursächlich für die Entstehung eines Tumors.

Welche Rolle die humane endogene Retroviren bei der Entwicklung und Entstehung bei menschlichen Tumoren spielt, ist bis heute noch nicht geklärt. In Melanomen und in Keimzelltumoren wurde eine erhöhte Expression von humanen endogenen Retroviren gefunden. Auch konnten bei betroffenen Personen spezifische Antikörper gegen humane endogene Retroviren nachgewiesen werden.

Trotz allem ist noch völlig unklar, ob dieses Provirus ursächlich an der Tumorentstehung beteiligt ist und wenn ja, wie. Im Gegensatz zu Gammaretroviren, sind die humane endogene Retroviren sehr komplexe Viren. Sodass nicht nur die Hülle, das Kapsid und die reverse Transkriptase, sondern auch die Rev- und Rec-Proteine möglicherweise zur Tumorprogression beitragen.

Tragen Humane Endogene Retroviren zur Entstehung von Multipler Sklerose bei?

Immer wieder wird von Forschern die Multiple Sklerose, kurz MS, und die humane endogene Retroviren in Verbindung gebracht. Bei der MS handelt es sich um eine demyelinisierende ZNS-Erkrankung mit unbekannter Ursache. Die MS verursacht unterschiedliche Symptome wie motorische, sensorische und kognitive Störungen.

Multiple Sklerose ist durch die Infiltration von Immunzellen gekennzeichnet. Ebenso vom Verlust von Myelinscheiden und fokalen Entzündungen. Dadurch entstehen Verletzungen der grauen und weißen Substanz sowie eine Hirnatrophie. Hauptursächlich, aber nicht ausschließlich für das Fortschreiten und das spätere Krankheitsstadium ist die axonale Degeneration, welche zu irreversiblen Defiziten führt.

Einen Zusammenhang zwischen MS und den endogenen Retroviren wurde im Jahre 1989 entdeckt. Dies erfolgte aus Basis von analysierten primären leptomeningealen Zellkulturen, welche als Isolation aus MS-Patienten nachgewiesen wurden. Diese Viruspartikel wurden zunächst MS-assoziierte Retroviren genannt. Jedoch konnte in späteren Untersuchungen festgestellt werden, dass diese Viren in Wahrheit Humane endogene Retroviren waren. Viele Studien konnten nachweislich belegen, dass eine Expression und Aktivierung sonst ruhender Humanen endogenen Retroviren und die damit zusammenhängende Produktion von kodierten Hüllproteins eine Immunantwort auslösen.

Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Beweisen, dass die endogenen Elemente der Viren, über Viruspartikel oder auch über die Proteine wirken. Dies kann in Zusammenhang mit einer diagnostizierten degenerativen ZNS-Erkrankung negative Einflüsse auf den Krankheitsverlauf haben.

Doch Forscher sind sich inzwischen ziemlich sicher, dass die Humanen Endogenen Retroviren nicht nur an der Entwicklung von Multiple Sklerose beteiligt sind, sondern auch noch bei mindestens zwei weiteren Krankheiten, nämlich:

  • ALS: Amyotrophe Lateralsklerose – Hierbei handelt es sich um eine neurodegenerative Erkrankung, welche ganz spezielle Gruppen von Nervenzellen beeinträchtigen: die Motoneuronen, welche die motorischen Nervenzellen bilden. Diese befinden sich im Rückenmark und im Gehirn und sind zuständig für die Steuerung der Muskeln.
  • Schizophrenie – Hierbei handelt es sich um eine sehr schwere psychische Erkrankung, welche durch fundamentale und zeitweilige Störungen der Wahrnehmung, des Denkens und des Erlebens mit vielen Beeinträchtigungen einhergeht. Auch typisch für diese Erkrankung ist der Verlust des Bezugs zur Realität.

 
Wissenschaftlern nach zu urteilen, hängen die Wiederauferweckung der humanen endogenen Retroviren mit der Manifestation sowie mit dem Fortschreiten der oben genannten Krankheiten zusammen. Jedoch kann zum jetzigen Zeitpunkt der Forschung diese Vermutung nicht zweifelsfrei bewiesen werden. Aufgrund dessen werden noch viele weitere Jahre vergehen, bis Wissenschaftler und Forscher 100-prozentige Ergebnisse und Erkenntnisse liefern können.